20 Jahre KULTURORT WINTRINGER
KAPELLE

ZUKUNFT SCHREIBEN

Monika Schrickel (1940–2022)

2024 schließt am KulturOrt Wintringer Kapelle auf dem Wintringer Hof eine Installation mit dem Titel „Zukunft schreiben“ einen 20-jährigen Kreislauf. Gezeigt werden drei ausgewählte Werke der Künstlerin Monika Schrickel, die 2022 verstorben ist.

Kurator Peter Michael Lupp konnte sie im Jahre 2003 dafür gewinnen, eine Arbeit aus ihrer Werkreihe „Offenes Buch. Buchprojekte“ an dem ehemals klösterlich geprägten Ort zu zeigen. Symbolisch entstand dadurch auch eine Verbindung zu den kunstfertigen Schriften der Mönche, die in den Schreibstuben der mittelalterlichen Klöster entstanden sind, um das Wort Gottes in Vollendung zu verbreiten. Einer mit Symbolen und Zeichen beschrifteten Stoffbahn, die fast schwebend im Raum wirkte, gab die Künstlerin vor Ort intuitiv den Titel „Zukunft schreiben“ und lieferte damit unvorhersehbar einen symbolischen Auftakt für die folgenden beiden Jahrzehnte.

Die Vision, eine lebenswerte Zukunft auch über die Zeichen der Kunst zu (be)schreiben, hat seither die Idee des KulturOrtes Wintringer Kapelle beflügelt. Wie ein roter Faden hat sich dieser Impuls durch 20 Jahre Kulturarbeit in der ehemaligen mittelalterlichen Prioratskirche gezogen und in unterschiedlichsten künstlerischen Reflexionen gezeigt. Anlass genug, nach zwei Jahrzehnten, im „Jubiläumsjahr 2024“ nochmals daran zu erinnern, wie 2003/2004 die künstlerische Inwertsetzung ihren Lauf nahm, und der Malerin Monika Schrickel mit einer erneuten Ausstellung Tribut zu zollen. Die Ausstellung konnte mit Unterstützung ihres Sohnes Ralph Schrickel realisiert werden und versteht sich als Beitrag zum Jubiläumsjahr „20 Jahre KulturOrt Wintringer Kapelle“.

Aufgeschlagenes Buch

Aus der Serie „Offenes Buch“, transparentes Japanpapier, Acryl, Pigmente, 2016

Vergegenwärtigt man sich, dass in der Prioratskirche von Wintringen im Mittelalter Handschriften gelesen wurden, die in den Schreibstuben bedeutender Klöster mit einem Höchstmaß an Präzision und Ausdauer entstanden sind, lässt sich erahnen, dass diese geheimnisvolle Kunstform für die Monika Schrickel eine Inspirationsquelle für Ihre gegenwartsbezogene Kunst war.

Die ausgewählten „Schriftungen“ der Künstlerin thematisieren vor diesem Hintergrund die Symbolkraft der Schrift als bildhafte Übertragung einer Idee die Betrachter im Kontext des Ortes kraft ihrer sinnlichen Wahrnehmung entschlüsseln können. Mit den ausgestellten Werken kehren so spirituelle Topi an den Ort zurück und laden dazu ein, gedanklich ganz neue Fragen über die Zusammenhänge von symbolhafter bildender Kunst und Spiritualität zu stellen. Im idealen Fall tragen die symbolhaften Bildwerke von Monika Schrickel nicht nur zu einem höchst ästhetischen Gefallen bei, vielmehr impulsiveren sie zu einer Erneuerung künstlerischer Weltanschauung. So verstanden kann Kunst durchaus Wege der geistigen Erkenntnis bahnen um diese der Gegenwart in die Zukunft zu schreiben.

Kurator Peter Michael Lupp zur Intention der Werke am KulturOrt Wintringer Kapelle

Monika Schrickel hat als Gründerin der ‚Künstlerinnengruppe Saar‘ und als langjährige Vorsitzende des BBK-Landesverbandes tiefe Spuren in der saarländischen Kulturlandschaft hinterlassen und sich intensiv für die Rolle der Künstlerinnen und Künstler in der Gesellschaft eingesetzt. In ihrem künstlerischen Schaffen hat sie sich behutsam dem Thema ‚Schrift‘ genähert. Die teils großformatigen Arbeiten, teils als lange Bildfahnen, die sie mit Acryl oder mit Pigmenten auf Bütten- oder Seidenpapier mit einer unglaublichen Geduld und Akribie gestaltete, erinnern an geschriebene Briefe, Manuskripte und zeigen sich in der Bildstruktur als kryptische Zeichen immer filigran und mit einer feinen Ästhetik der Schrift und der Schriftzeichen verpflichtet. Meine Mutter staunte über die Schriften der Kulturen und über die Vielfalt der graphischen Zeichen, die sie inspirierten, sie aufzugreifen, mit ihnen umzugehen und buchstäblich Zukunft zu schreiben.

Ralph Schrickel zum künstlerischen Schaffen seiner Mutter

Alles Denken sucht nach Äußerung. Ein Zeugnis des Geistes aus der Innenwelt über die Materie.   Zeichen, die Erkennung und Erkenntnis setzen, Bilder gebären, die Gedanken spinnen in das Netz der Suchenden.   Dreifaltig: Gedanke, Wort und Schrift. Hohe Kunst, die offenbart und Zukunft schreibt.

Peter Michael Lupp

Die Schriftungen von Monika Schrickel laden dazu ein, sie fühlend zu entschlüsseln und zielen darauf ab, eine sinnlich intuitive Wahrnehmung bei den Betrachtern zu erzeugen. Diese Kunstform wirkt eher wie Töne oder Musik und erzeugt einen epochenübergreifenden Zugang zu dem klösterlich geprägten Ort. Man muss sich bewusst machen, dass im Mittelalter die Texte und Liturgien nur kraft der Kunst auf den Handschriften oder an den Wandmalereien inhaltlich begreifbar waren. Anstatt lesbare Botschaften, kann damals wie heute, die Kunst über Emotionen die Wege zu einer geistigen Auseinandersetzung mit relevanten Themen des Menschseins für eine tragfähige Zukunft impulsieren. Mit dieser Intention – über die Sprache der Kunst – Zukunftsfähigkeit zu bebildern und zu diskutieren, hat sich erfüllt und uns über 20 Jahre am KulturOrt Wintringer Kapelle immer wieder erstaunlich neue Einsichten geschenkt. Postum danke ich der Künstlerin, dass Sie uns mit ihrer Kunst symbolisch eine Klammer um diese zwei Jahrzehnte gesetzt hat.

Kurator Peter Michael Lupp bei der Eröffnung der Jahresschau