sommer – aestas
Wege ins Licht
Beweisen lässt es sich nicht, und trotzdem glaube ich daran: An manchen Orten der Erde erhält auf geheimnisvolle Weise die eigene Ankunft oder Abreise durch die Empfindungen all jener eine besondere Intensität, die hier früher einmal angekommen beziehungsweise wieder abgereist sind. Wer eine Seele hat, die leicht genug ist, spürt einen sanften Widerstand in der Luft.
Cees Nooteboom, Umwege nach Santiago
Auch die Wintringer Kapelle reiht sich bescheiden in diesen internationalen Reigen der Pilgerorte ein. Archäologische Funde und die Darstellung einer Jakobsmuschel in einem ehemaligen Altarretabel der „Kapelle“ deuten darauf hin, dass sich hier ein Wallfahrtsort befand und ein alter Pilgerweg vorbeiführte. Vieles spricht dafür, dass dieser Ort sogar in Verbindung mit dem großen Wege-Netzwerk durch ganz Europa stand, das auf eines der bedeutendsten Ziele mittelalterlicher Pilgerschaft zuführte: Santiago de Compostela. Hier in Nordspanien, ganz in der Nähe der galizischen Küste, war über dem mutmaßlichen Grab des Apostel Jakobus eine Pilgerstätte entstanden, ein energetisches Zentrum des Glaubens, das Millionen von Menschen aller Nationen in den Bann zog. Monatelang und unter großen Strapazen waren sie unterwegs, um dort Heil zu erflehen und zu finden.
Armin Schmitt
In unseren Tagen hat sich der große niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom auf den Weg gemacht. Mit dem Auto zwar und einer guten Portion Skepsis hat er sich über viele Jahre und in immer neuen Ansätzen Santiago de Compostela genähert. In seinem berühmt gewordenen Reisebericht „Der Umweg nach Santiago“ hat er seine Reiseeindrücke festgehalten.
Auszüge aus dem Pilger-Reisebuch von Cees Nooteboom, aber auch Texte von Johannes dem Apokalyptiker, Franz von Assisi, Friedrich Hölderlin und Ingeborg Bachmann standen am 4. Juli im Mittelpunkt einer Lesung von Armin Schmitt. Die Texte wurden von Charlotte Nyborg und Christina Paulina Heer auf der Harfe kommentiert und begleitet.
Armin Schmitt hatte die Texte eigens für die Lesung in der Wintringer Kapelle zusammengestellt. Rezitation und Harfenmusik traten nicht nur untereinander in einen kontrastreichen Dialog, sondern auch mit dem mittelalterlichen „Kapellenraum“. So entstand ein Kraftfeld, das Raum ließ für Gedanken, Gefühle und Meditation.
MUSIKALISCHER PROLOG, MARCEL GRANJANY | FRIEDRICH HÄNDEL | 1. TEIL: AUSZUG AUS DER APOKALYPSE DES JOHANNES | 2. TEIL: CEES NOOTEBOOM, UMWEGE NACH SANTIAGO (AUSZÜGE) FRANCISCO TÁRREGA, ADELITA | JOHN PARRY, SONATE D-DUR, 2. UND 3. SATZ | 3. TEIL: MIMNERMOS, HELIOS | MESOMEDES, AN DIE SONNE | ORPHISCHE HYMNE, AN DAS LICHT | JOHANN SEBASTIAN BACH, PRELUDIUM IN C-DUR | FRANZ VON ASSISI, SONNENGESANG | HÖLDERLIN, DEM SONNENGOTT UND GEH UNTER SCHÖNE SONNE | GARBRIEL FAURÉ, IMPROMTU | INGEBORG BACHMANN, AN DIE SONNE | GABRIEL FAURÈ, IMPROMTU
ARMIN SCHMITT, GERMANIST UND HISTORIKER, EHEMALIGER KÜNSTLERISCHER LEITER DES FESTIVALS „SCHICHTWECHSEL“ IN DER VÖLKLINGER HÜTTE | CHARLOTTE NYBORG, SOLOHARFENISTIN AM STAATSTHEATER IN SAARBRÜCKEN | CHRISTINA PAULINA HEER, HARFENISTIN, SCHWEIZ