herbst – autumnus
Herbst im Mittelalter – Herbst des Mittelalters
Herbstzeit: Zeit der Ernte, Zeit der Freude, Zeit des Dankes. Große Feste beginnen mit der Ankunft der letzten Fuhre der Ernte auf dem Hof – viel Arbeit liegt hinter den Bauern. Ihre Dankbarkeit für die reichlichen Gaben gilt der Erde und der Sonne, der Natur – und Gott, so wie dies heute noch bei dem traditionellen Erntedankfest im Oktober auf dem Wintringer Hof der Fall ist.
Der Kreislauf von Blühen und Welken, von Werden und Vergehen: Er gilt im Mittelalter für die immer wiederkehrende Abfolge der Jahreszeiten ebenso wie für das eigene Leben. Der Herbst ist aber auch Zeit der Rückschau auf das vergangene Jahr und Zeit des Abschieds: Er bildet den Abschluss der Vegetationsperiode und steht für das ausklingende Sommerhalbjahr, den Beginn der dunklen Jahreszeit. Die Tage werden kürzer, die Schatten länger – nicht ohne Grund ist der Tod im Mittelalter oft ein „Schnitter“, der mähend über die Felder geht.
Mit fröhlichen Trinkliedern und ausgelassenen Tänzen drückten die Menschen ihren Dank und Hoffnung auf eine ebenso gute Ernte im kommenden Jahr, aber auch den Abschied vom Sommer aus. Auf ihre Weise taten das auch die Mönche durch Gebete und Rituale – ruhiger und in sich gekehrt innerhalb der klösterlichen Mauern des Prämonstratenserpriorats Wintringen. Die Kirche ist im Leben des mittelalterlichen Menschen ein zentraler Ort des Heils – von der Geburt an bis zum Tod. Der Dank an Gott und die Ehrfurcht vor der Natur spielten eine wichtige Rolle. Die Menschen waren sich stets bewusst, dass alles in den großen Kreislauf des Werdens und Vergehens eingebunden ist: Im Korn ruht das Leben während des Winters, um im Frühling wieder neu zu erwachen.
Diese unterschiedlichen Gesichter des Herbstes thematisierte am 3. Oktober 2004 das sechsköpfige saarländische Ensemble Wahnfrîd – Musik des Mittelalters in der ehemaligen Prioratskirche in Wintringen.
Die Formation beschäftigt sich seit 1992 einerseits mit der möglichst authentischen Wiedergabe mittelalterlicher Musik und andererseits mit der Vision, an originalen Schauplätzen, durch ihre Musik einen Brückenschlag zwischen Geschichte und Gegenwart zu leisten. Originalgetreu rekonstruierte Instrumente wie Schalmei, Flöte, Fidel, Drehleier, Schlagwerk, Dudelsack und Gampe kommen zum Einsatz. Ihre Musik stammt zu großen Teilen aus den Liederhandschriften des 12. und 13. Jhs., aus den Cantigas de Santa Maria, dem Codex Buranus (Carmina Burana), dem Libre Vermell de Montserrat und den großen Minnessänger- und Trouvères-Handschriften.
Den Herbst als Jahreszeit der Besinnung und Rückschau – als Abschiednehmen – thematisierten im musikalischen Programm besonders die Lieder Oswalds von Wolkenstein. „Es fuegt sich“ ist seine große Lebensballade, in der er sein gesamtes bisheriges Leben Revue passieren ließ. Das „Palestina Lied“ des Walther von der Vogelweide ist ein Rückblick auf seine Teilnahme an einem großen Kreuzzug – die Erfüllung seines persönlichen Lebenstraumes. Um die Zuhörer dieses außergewöhnlichen Konzertes, das in mittelhochdeutscher und lateinischer Sprache präsentiert wurde, mitzunehmen in den Herbst des Mittelalters, verbanden Rezitationen und moderne Übersetzungen die einzelnen Teile des Konzerts zu einem Ganzen.
STELLA SPLENDENS | CARMINA BURANA, BACHE BENE VENIES | MÖNCHE VON SALZBURG, MARTEIN LIEBER HERRE | OSWALD VON WOLKENSTEIN, WOLAUFF WIR WELLEN SLAUFFEN | VORTRAG: HERBSTLIEDER | NEIDHART VON REUENTAL, DAS GEFRÄSSZ | WIZLAW VON RÜGEN, LOIBERE RISEN | LOACHAMER LIEDERBUCH, DER WALD HAT SICH ENTLAUBET | OSWALD VON WOLKENSTEIN, AIN GUT GEPOREN EDELMAN, VIL LIEBER GRUESSE SUESSE, WACH AUFF MEIN HORT | OSWALD VON WOLKENSTEIN, ES FUEGT SICH | CARMINA BURANA, ICH WAS EIN CHINT | WALTHER VON DER VOGELWEIDE, PALAESTINA LIED | TOTENTANZ
MUSIKALISCHE LEITUNG, RENATE IFFLAND, BLASINSTRUMENTE, GESANG | MODERATION, DIETER LANG, BLASINSTRUMENT, PERCUSSION | SUSANNE BARTH, FIDEL, BLASINSTRUMENTE, GESANG | THOMAS BOHR, PERCUSSION | MARC-OLIVER KONRAD, SAITENINSTRUMENTE, DREHLEIER | JÖRG WALENDEY, GESANG